Gott lacht, wenn Menschen Pläne machen!

Aus der Artikelserie: Die Meister des Lebens – Geschichten die das Leben schreibt 

Autobiographie eines Sterbeprozesses

Chantal, 62

Gott lacht, wenn Menschen Pläne machen! - ist eine berührende Autobiographie eines Sterbeprozesses von spirituellem Lehrer und Meister Jigme Phende, Tags: Tod, Sterbeprozess, Sterbebegleitung, Übergang, Abschied, Leichtigkeit des Seins

 

Es ist das erste Mal in meinem sechzigjährigen Leben, dass ich alleine bin, nur für mich denken, nur für mich sorgen muss. Ich bin frei und kann tun und lassen, was ich will. Was für ein Geschenk, was für eine Bürde, was für eine Herausforderung, was für eine Verantwortung!

Ich bin aufgefordert worden, mein Leben in die Hand zu nehmen und es so zu gestalten wie ich es will! Aber vorher stellte mich das Leben radikal, grausam, ohne Widerrede vor die Frage: Bist du bereit, deinen Partner bis in den Tod zu pflegen und zu begleiten? Während das Ego noch dabei war, alle möglichen Szenarien und Verhalten zu erwägen, hatte meine Seele schon erkannt, dass ich mich in der Wahl befand, und ab diesem Moment gab es in mir nur noch Vertrauen und Hingabe an das, was da auf uns zukam.

Gott lacht, wenn Menschen Pläne machen!

Der Tod kam in unser Leben mit dem Versprechen, in ein paar Monaten nochmal vorbei zu kommen, und nahm mir über vier Monate lang Stück für Stück einen geliebten Menschen, die aktuell wichtigste Beziehung, einen geehrten und geschätzten Lehrer, den besten Freund, den einfühlsamen Liebhaber! Alles auf einmal.

Fünfzehn Jahre lang hatte Wolf mich mit all seinem Wissen, seinem Mitgefühl, seiner Geduld und seiner Liebe dabei begleitet, mich von meinen traumatischen Prägungen aus der Kindheit zu befreien, mich zu stärken, die Meisterin, die er in mir sah, zu sein. Ich erkannte, dass das Ziel oder der Seelenvertrag unseres Zusammenseins genau in diese eine Situation mündete und sich darin erfüllte: Jetzt war es an mir, ihm meine Dankbarkeit für all das Gute und Hilfreiche zu zeigen, das ich von ihm bekommen habe und von und mit ihm gelernt habe und das Versprechen, dass wir uns einst gaben, einzulösen:

„Du begleitest mich dabei, mich selbst zu heilen und ich begleite dich dabei, dem Tod bewusst und mit offenen Augen zu begegnen!“.

Anfang des Jahres war ich noch damit beschäftigt meinen eigenen Rentenantrag zu bearbeiten, seitenweise Formulare auszufüllen, Belege zu suchen etc., da mich das Job-Center aufgefordert hatte, meine Frührente einzureichen. Der Antrag von der Rentenstelle kam Anfang Januar per Post, Ende Mai bekam ich bereits meinen vollständigen Rentenbescheid. Seit Juni bekomme ich also eine kleine Rente, die mich endlich vom Hamsterrad befreit aber nicht ausreicht, um davon zu leben. Immerhin hatte ich ein kleines Grundeinkommen und musste keine Bewerbungs-Spießrutenläufe mehr über mich ergehen lassen. Ich hatte einen Mini-mini-Job, der für meine bescheidenen Bedürfnisse ausreichte, um die Rente aufzustocken. Ich konnte mich endlich hinsetzen und mich fragen, was ich denn nun mit meinem neuen Leben anfangen wollte. Darüber hinaus hatten wir zwei als Paar noch einige Pläne und Visionen, die wir zusammen gestalten wollten. Aber soweit kamen wir nicht mehr. Gott lacht, wenn die Menschen Pläne machen!

An einem Punkt waren wir uns seit Anfang des Jahres einig: Wir hatten beide die Wahrnehmung, dass im Sommer alles anders wird, dass nichts mehr so sein wird, wie es war, dass wir völlig neues Terrain betreten werden. Es war nur nicht klar ob im Alleingang oder Kollektiv. Wir hatten keine Ahnung, was da auf uns zukam, außer, dass alles neu sein wird. Bald sollten wir ein pfadloses Land betreten in dem es keinen Boden mehr unter den Füßen und noch keine Wegweiser gab.

Die ersten Zeichen einer Veränderung

Die ersten Zeichen einer Veränderung zeigten sich eine Woche bzw. vier Tage vorher! Das Erste zu unbedeutend, um zu reagieren – Kopfschmerzen, das Zweite zu alarmierend, um es wegwischen zu können – ein demenzähnlicher Vorfall, aber zu kurz vor dem Zusammenbruch um überhaupt reagieren zu können. Kurzgefasst, zehn Tage nach dem ersten Anzeichen hatte er einen epileptischen Krampfanfall und wurde in die Neurochirurgie eingewiesen. Als ich damit konfrontiert wurde, wusste ich, dass er sterben wird, zumal er immer von sich sagte, dass er nicht alt werden würde. Er war 58. Seinen Tod habe ich vor vier Jahren, in einem dieser Realträume, die jahrelang nachhallen, geträumt. Dieser Traum gab mir auch die innere Orientierung während des Krankheitsverlaufes. Ein paar Tage später wurde es von der Diagnose bestätigt: ein großer Gehirntumor der Sorte unbedingt tödlich, ob mit oder ohne Therapie; ein Glioblastom. Ohne Therapie hätte er drei bis sechs Monate zu leben und mit neun Monaten Chemo und Bestrahlung könnte er auf 12 bis 15 Monate Restlebenszeit kommen.

Es fehlen mir die Worte, um zu beschreiben, was mit mir, mit meinem Herzen in diesem Moment und in allen weiteren Tagen dieses neuen Lebens passiert ist! Die Herausforderung war:

in LIEBE mit dem TOD zu leben.

Ich habe diese Herausforderung angenommen, mich dem ganz hingegeben und dann nur noch Liebe erlebt. Weil Liebe auch die Trauer, das Meer der Tränen beinhaltet, weil auch diese mit Liebe getränkt sind.

So wurde er operiert. Fast ein Viertel seines Gehirns wurde zu Schweizer Käse: Operation gelungen! Patient dement! Sie konnten 90% des Tumors entfernen, aber die restlichen 10% waren noch genauso tödlich wie vorher. Es war lediglich eine Galgenfrist bis der Tumor wieder so groß geworden ist, dass er ein lebenswichtiges Organ abdrückt und der Wirt stirbt!

Zwei Wochen nach der OP kam er zurück nach Hause als Pflegefall. Anfangs noch etwas mobil, sowohl körperlich als auch sprachlich, aber nach zwei Wochen war klar, dass er sich weder von der Operation erholen wird, noch irgendwelche Heilungschancen hatte (die Umgebung hört ja nie auf zu hoffen!). Für uns beide war klar, dass er sich keiner Therapie unterziehen würde, sondern bereit war, sich hinzulegen und genüsslich zu sterben. Ja genüsslich! Der Tod war schon lange sein Freund. Er hatte mehrere Nahtod-Erfahrungen mit klinischem Tod und wusste, wie schön es ist, tot zu sein! Was nicht bedeutet, dass er gar keine Angst hatte. Er kannte seine Angst und konnte sie liebevoll umarmen und mitnehmen, um von Anfang bis Ende in Liebe und Hingabe zu verbleiben. Er hat nicht ein einziges Mal in meinem Beisein aufbegehrt oder versucht irgendwelche Heilungsversuche aktiv anzunehmen. Er hatte sich schon bei der ersten Diagnose in seinen Tod begeben. Nicht dass er sterben wollte, nein, er wollte noch leben und mit mir Liebe, Leben und Erfahrungen teilen. Aber er fügte sich, wohl wissend, dass seine Zeit gekommen war. Und so habe ich es auch wahrgenommen; selbst meine Ahnung der Zeitspanne, die ihm noch verbleiben sollte, hat sich bestätigt.

Der Tumor bewirkte, dass er immer mehr die Sprachfähigkeit verlor, die neuronale Verbindung zwischen den Gedanken und ihren Ausdruck in Sprache war gekappt. Als ihm das klar wurde, sprach er nicht mehr oder nur noch sehr selten, dann aber immer auf den Punkt! Er war ein großer Denker, und Sprache in Verbindung mit der Weisheit seines Herzens, war einst sein bestes Werkzeug. „Die Liebe führt und Störungen gehen vor!“ war sein Leitsatz im Umgang mit Tieren, Menschen, Beziehungen, in Kommunikation– und Beratungssituationen. Er wusste um den Stellenwert der Liebe und des Mitgefühls, und als seine Sprache versagte, hat er uns, die ihn begleitet haben, noch auf seinem Sterbebett Präsenz, Aufmerksamkeit, Zuversicht und Liebe im Überfluss geschenkt!

Das emotionale Spannungsfeld, der Spagat des Herzens zwischen Liebe und Tod hat mich all die Monate begleitet und mein Herz immer größer und durchlässiger gemacht. Ich habe ziemlich früh gelernt, mit diesem Spannungsbogen umzugehen, indem ich ein bekanntes, von ihm gelehrtes Werkzeug benutzt habe: das Tonglen[1] aus der buddhistischen Praxis.

Ich sagte, er war mein Lehrer. Ich/wir (vier Paare) haben vor zehn Jahren eine dreijährige Atem- und Körpertherapeutische Ausbildung bei/mit ihm gemacht. Er hat uns unter anderem gelehrt, dass man das Tonglen benutzen kann, um mit traumatischen Gefühlen umzugehen. Die aktuelle Situation forderte mich geradezu dazu auf, all das anzuwenden, was ich bei ihm und auch bei anderen Lehrern in meinem ganzen Leben gelernt hatte. Es fühlte sich an wie die Meisterprüfung, für mich und auch für ihn selbst, dessen war ich mir bewusst.

Neuland

Jeder Tag war Neuland. Ich konnte nicht mehr auf Altbekanntes zurückgreifen. Ich musste all meine Kreativität, Empathie, Mitgefühl, Fürsorge, Erfindungsgeist, Handwerksfähigkeiten und vieles mehr aktivieren, um für all die Probleme, die es bis dahin noch nicht gab, Lösungen zu finden, die noch keiner erdacht hatte. Ich war beschäftigt, das könnt ihr mir glauben, von morgens bis abends und in die Nacht hinein, um ihm sein langsames, bewusstes Sterben zu ermöglichen. Mit den schwindenden Sinnesfähigkeiten habe ich immer weiter nach Anregung und Selbsterfahrung für ihn gesucht. Von Massage über Geruchserleben; sinnliche körperliche Begegnungen – ohne Sex, der nach der OP nicht mehr möglich war – die uns weit über die persönlichen Grenzen hinaus in erotische Dimensionen katapultiert haben. Handschmeichler für die Hände, um die Spannung in seinen Händen aufzufangen, provokative Geschmackserlebnisse, Stille und Meditation. Alleinsein mit dem Tod und doch mittendrin im pulsierenden Leben. So lange er es konnte, hörte er nie auf, mir sein wärmstes, schönstes Lächeln zu schenken, so voll Liebe, Mitgefühl und Hingabe, dass es mir jedes Mal fast das Herz zerbrach ob der Trauer und des Schmerzes, die gleichzeitig vorhanden waren. Ich bemerkte, dass mein Atem den Schmerz nach außen zu drängen versuchte, um nur die Liebe hereinzulassen, wodurch die Trauer aber immer größer wurde. An diesem Punkt erinnerte ich mich an die Praxis des Tonglens. Beim Tonglen wird die Energie gedreht, um sie zu transformieren und für sich zu nutzen:

Ich atme meinen Schmerz, meine Trauer, meine Wut in mein Herz ein und atme Liebe, MitgefĂĽhl, Trost und Gelassenheit durch das Herz aus. Diese Umkehrung erzeugt eine friedvolle Angstlosigkeit im Herzen und erlaubt, sowohl die Liebe als auch den Schmerz, die Trauer zu fĂĽhlen, ohne daran zu zerbrechen.

Und natĂĽrlich blieb die Trauer im Herzen, die Trauer die sehr nahe an der Grenze zu GlĂĽckseligkeit angesiedelt ist. Tod und Liebe in einem Atemzug. Es war, als wĂĽrde ich auf dem Kamm einer riesigen Welle der Liebe surfen! Denn das war auch das, was er in Wirklichkeit war: reine LIEBE und sonst nichts!

Und weil er nicht mit Pharmaka irgendwelcher Art verseucht war, konnte er in einem gesunden, immunen, nebenwirkungsfreien Körper seinen Sterbeprozess bewusst erleben, den Verlauf untersuchen, die Wirkung eines epileptischen lokalen Anfalls genau beobachten bis kurz vor dem Punkt des Komazustandes. Das freute ihn, da wurde sein Forschergeist mit Erfahrungen belohnt, die er sonst nicht hätte machen können. Er war sich selbst sein eigenes Forschungsobjekt! Und für mich auch. Ich habe den Sterbeprozess beobachtet, mit den Phasen im Totenbuch verglichen, während ich versuchte, mich im Land ohne Karten und Wegweiser zu orientieren, um ihn angemessen zu begleiten.

Ich habe noch nie so intensiv gelebt, gefühlt, erfahren, mich so verbunden gefühlt, wie in diesen drei Monaten der Intensivpflege für und mit ihm und dem Tod auf seiner Schulter. Inmitten dieser „Matrix des Grauens“ erlebten wir täglich so viele besondere Momente des Glücks, jeder für sich oder gemeinsam, die ich nur als goldene Momente bezeichnen kann. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, welche Wunder das Leben vollbringt, wenn man sich vertrauensvoll in den Fluss begibt.

Der Grund, warum so etwas möglich war, mag darin liegen, dass wir beide ab dem Moment des Erkennens der neuen Realität ad hoc aufgehört haben, unsere Egos in den Vordergrund zu stellen und Dinge persönlich zu nehmen. Es gab nur noch die Liebe, die zwischen uns war. So neu und so frisch wie zu Anfangszeiten, so tief wie nie vermutet, die uns befähigt hat, in die volle Hingabe zu gehen. Hingabe an genau das, was gerade war und ist: an den Tod, an die Liebe, an ihn, an mich, an Frau, an Mutter, an Hilflosigkeit, an Abhängigkeit, an Bedürftigkeit. Einfach nur Hingabe und Dankbarkeit.

Leichtigkeit des Seins

Ich hatte noch nie so viel gute Energie – Leichtigkeit des Seins und positive freudvolle Haltung zum Leben – als in der Zeit seines Sterbens. Ich entwickelte einen Humor, den ich mir nicht zugetraut hätte; morbide, schwarz und so was von auf den Punkt, dass sogar er anfing, über meine Witze zu lachen – was er bisher nie getan hatte, er konnte sie bislang nie verstehen! Und dieser Humor wurde der Tropfen, der jede noch so unerträgliche Situation entschärfen konnte. Ich habe noch nie so viel gelacht! Ich habe noch nie solche unaufhörlichen Lachanfälle erlebt, wie in dieser Zeit. Überhaupt war ich fast den ganzen Tag fröhlich. Gut gelaunt, voller Energie, habe ich Mantras singend meine Arbeiten verrichtet. Zwölf Wochen alleine mit der Körperpflege eines 185cm/75-85kg starken Mannes habe ich verbracht und das war auch so gewollt. Ich habe eine Kraft entwickelt, die mich erstaunt hat, eine Gelassenheit, die nichts mehr erschüttern konnte und eine Beharrlichkeit, die niemand aufhalten konnte. Ich hatte mir vorgenommen, ihn zu Hause in den Tod zu begleiten, und das habe ich auch geschafft, während ich selbst es gut überlebt habe. Das hatte ich ihm und mir versprochen!

Und nicht zu vergessen: Ich hatte viele Helfer für alle Dinge um die Pflege herum. Ein ehrenamtlicher Helfer, der kam damit ich mal Zeit für mich habe, Freunde die täglich kamen, im Haushalt mithalfen, für mich kochten, einkauften, da waren, etc. Einen ambulanten Palliativ-Dienst der regelmäßig ins Haus kam und immer im Hintergrund zur Verfügung stand. Kein Krankenhaus mehr, keinen Arzt mehr, nur noch ich und mein Liebster und der Tod. Ich fühlte mich verbunden, getragen, versorgt, gesehen, geliebt. Ich konnte spüren, was es bedeutet, ein lebendiges, liebendes Netzwerk zu haben, in das man sich fallen lassen kann und wo alles für uns geregelt wird. Ich habe so viel Dankbarkeit für die Menschen, die mich/uns begleitet haben. So viele große Herzen! Danke an Euch alle!

Heiliger Raum und der Tempel der Sinne

Wir haben diese Sterbezeit in einem selbst geschaffenen, geschützten heiligen Raum verbracht. Ich habe die Einrichtung eines Pflegebettes im Wohnzimmer dazu genutzt, um erst mal alles zu putzen, neu zu strukturieren, auszumisten, um aus dem Raum einen Tempel zu machen: Mit Farben, Lichtern, Gerüchen, Klängen, Schönheit habe ich uns eine eigene Dimension erschaffen, jenseits von Raum und Zeit. Unsere eigene liebevolle Matrix innerhalb der „Matrix des Grauens“. Ich nahm wieder Kontakt zu meiner alten spirituellen Praxis auf (hinduistisch) und führte ihn zu seiner eigenen (buddhistisch) wieder heran. Wir hatten beide eine längere Pause hinter uns und die Praxis eher in den Alltag verlegt. Ich fand mich Aarti[2] singend wieder (indischer Gottesdienst), während ich ihn wusch, die Windel wechselte und anzog. Er wurde zu meinem täglichen Objekt des Rituals. Ich hatte kein Konzept und keine Zeitvorgabe. Ich tat immer das, was gerade anstand. Aber es gab eine Kontinuität in den täglichen Handgriffen, die ich verrichtete, um die Energie des Raumes und in uns auf einer bestimmten Frequenz zu halten: die Frequenz der Liebe. Ich folgte immer nur meinen Impulsen und meiner Intuition. Ich hatte das Bedürfnis nach allem, was die Sinne anregt und freudvoll stimmt, und so setzte sich mein Tag zusammen aus vielen kleinen rituellen Tätigkeiten:

  • Duftlampe/Teelicht anmachen, hauptsächlich Weihrauch
  • Musik, aber nur in Form von gesungenen Mantren
  • fĂĽr frisches und heiĂźes Wasser sorgen, das Heilwasser umfĂĽllen und nachfĂĽllen
  • frische Blumen wässern oder wechseln
  • die Lichtquellen im Raum immer wieder regulieren, den BedĂĽrfnissen anpassen
  • das Waschen seines Körpers mit duftenden reinen Seifen und Pflege mit reinem Kokosöl
  • die Zubereitung seiner Lieblingsspeisen, mit den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und DĂĽften spielen
  • Räuchern mit Weihrauch, Salbei, BeifuĂź …, Aura reinigen, Haus reinigen

Nach seinem Tod, während meines Retreat[3], habe ich realisiert, dass all diese Elemente, die meinen Pflegealltag intuitiv ausgemacht haben, in ähnlicher Form auf dem Altar der Buddhisten, in Form von Opfergaben zu finden sind. Acht Schälchen stehen auf dem Altar und sind Teil des Rituals und haben folgenden Inhalt:

  • Wasser fĂĽr den Mund
  • Wasser fĂĽr die FĂĽĂźe
  • herrliche Blumen
  • liebliches Räucherwerk
  • strahlende Lichter
  • duftendes Wasser
  • verlockende Speisen
  • Musikinstrument fĂĽr den Klang

Ich hatte die „Pflegeräume“ (KĂĽche, Wohnzimmer) in einen Tempel der Sinne und der Hingabe verwandelt. Diese Energie trug mich durch diese schwere Zeit hindurch, indem ich sie diszipliniert bediente und pflegte. Ich machte aus dem möglichen Alptraum, die schönste, größte und wertvollste Erfahrung meines/unseres Lebens. Bei all dem Chaos innerlich wie äuĂźerlich – alles war ständig in Bewegung und nur die ständige Veränderung war vorhersehbar – haben mir diese Werkzeuge sehr geholfen:

  • immer wieder Mantren laut und leise singen, es befreit die Emotionen, bringt in den Fluss
  • Tonglen, wann auch immer der Schmerz mein Herz zu zersprengen drohte, meistens dann, wenn er mich mit so viel Liebe und Hingabe angeschaut hat
  • Aurareinigung durch Räuchern, sie vertreibt die dunklen niederziehenden Frequenzen, stimmt das Herz zuversichtlich und leicht.

Und alle Menschen, die zu uns kamen, nahmen genau das wahr: Eine friedvolle, liebende, tröstende, schützende Kraft war auf diesem Platz anwesend und jeder konnte daran teilhaben und davon profitieren. Wir haben die Tür für Freunde, die ihn in seinem Tod begleiten wollten geöffnet, weil sie so voller Liebe zu ihm, zu mir, zu der Situation waren! Sieben Freunde haben ihn in sein letztes großes Abenteuer begleitet. Alle waren voller Dankbarkeit, diese Erfahrung mit ihm teilen zu können. Wir/ich habe(n) ihn auf dem Hintergrund des „Tibetischen Totenbuchs“ und „Das Buch über Leben und Sterben“ von Sogyal Rinpoche während des Sterbeprozesses begleitet.

Der Meisterschritt

Drei Tage vor seinem Tod hat er beschlossen und körpersprachlich verkündet, dass er ab jetzt weder Essen noch Wasser zu sich nehmen wird und seinen Tod einleitet. Sein körpereigenes Morphinsystem hat am nächsten Tag die Organfunktionen heruntergefahren, ihn in einen weichen Kokon eingehüllt und ihm einen friedlichen Todesprozess ermöglicht. Nach drei Monaten Vorbereitungszeit, war es dann eines Tages so weit. Als ich ihn morgens pflegen wollte, konnte ich die ersten Anzeichen des Todes an seinem Bauch, dem Genitalbereich sehen. Diese Körperregion war schon im Sterben, kalt, weiß und wachsweich, obwohl der restliche Körper noch warm und lebendig war. Das war das Startzeichen für den Endspurt. Es war für mich klar, dass er an diesem Tag sterben wird. Ich war gleichzeitig geschockt aber auch erfreut, endlich das Ziel erreicht zu haben und geriet innerlich in Stress, weil ich ab da gar nichts mehr kontrollieren konnte. Ich beruhigte mich und ging ins Vertrauen: Alles gut! Eigentlich nichts, was mich jetzt umhauen könnte. Es ist ja nur die Zielgerade, die wir gerade erreichen! Jetzt gilt es, tief durchzuatmen, ein bisschen zu Tonglen, ein paar Mantren zu singen und die Freunde zusammenzutrommeln!

Ziemlich ahnungslos und nicht wirklich vorbereitet versammelten wir uns um sein Sterbebett …

Der Rest dieser Geschichte ist im Buch Die Meister des Lebens – Geschichten die das Leben schreibt im Kapitel Gott lacht wenn Menschen Pläne machen! nachzulesen

© 2018, Chantal Amann, facebook.com/chantal.clos

 


[1]          Tonglen ist eine Form der Meditation im tibetischen Buddhismus. Tonglen entstammt dem Lojong – einer Methode zur Entwicklung von relativem und absolutem Bodhichitta, was „Herz des Erwachens“ oder auch „erleuchtende Geisteshaltung“ bedeutet. Beim Tonglen wird vor allem das relative Bodhichitta trainiert, also befreiendes MitgefĂĽhl, wobei sich der Ăśbende vorstellt, das eigene Leid oder das Leid anderer Personen aufzunehmen und daraufhin Liebe und MitgefĂĽhl auszusenden.

(Quelle: Wikipedia -> https://de.wikipedia.org/wiki/Tonglen)

[2]          Aarti ist ein hinduistisches religiöses Ritual der Anbetung, in der Licht von in Ghee (gereinigter Butter) getränkten Dochten oder Kampfer einem oder mehreren Gottheiten dargeboten wird. Aartis bezieht sich auch auf die Lieder, die zum Lob der Gottheit gesungen werden, während Licht dargeboten wird.

[3]          Retreat, englisch für Rückzug, bezeichnet eine geplante spirituelle Ruhepause oder Rückzug von der gewohnten Umgebung. Während der Begriff im Englischen auch allgemein für Phasen von Entspannung oder Stressabbau benutzt wird, hat sich im deutschen Sprachraum die Bedeutung einer spirituellen Praxis durchgesetzt (Quelle: Wikipedia -> https://de.wikipedia.org/wiki/Retreat)

 


 

Die Geschichte Gott lacht wenn Menschen Pläne machen! ist ein Teil des Projektes „Die Meister des Lebens – Geschichten die das Leben schreibt“ und ist im gleichnamigen Buch im Kapitel Gott lacht wenn Menschen Pläne machen! erschienen. Willst DU mit Deiner Geschichte auch ein Teil des Projektes fĂĽr Band 2 sein, sende mir bitte diese per Mail ->

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176 Seiten, 1. Auflage, erschienen 09/2018, ISBN: 978-3903014-23-7

 

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