Zufrieden sein? – wie leicht oder schwer fällt uns Vor einiger Zeit ereignete sich in meinem Leben zu diesem Thema folgende Geschichte:
Ich nahm mir einige Woche Auszeit und quartierte mich an einem ruhigen Ort, außerhalb der Touristensaison, in einem Land ein, dessen Sprache ich nicht beherrsche. Es war Frühjahr. Die Nächte waren noch sehr kalt. Nach der ersten Nacht stellte ich fest, dass die Heizung in meinem Apartment nicht funktionierte, bzw. auch auf der höchsten Stufe nur lauwarm war. Der Heizkessel befand sich im Vorzimmer. Wie ich ihn auch umstellte, es geschah rein gar nichts. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum logischen Schluss: Die Heizkörper gehören entlüftet. Obwohl ich handwerklich ganz gut unterwegs bin, dachte ich mir: Ich bin doch im Urlaub, soll ich tatsächlich jetzt den Handwerker spielen und selbst die einzelnen, verstaubten Heizkörper entlüften? Und was wenn ich etwas kaputt mache und wenn es doch nicht daran liegt, dass sie kalt bleiben?
So schrieb ich eine Mail an die Agentur, welche die Apartments verwaltete und sie schrieben auch umgehend zurück, dass gleich am selben Tag jemand vorbeischauen würde. Schon alleine das war für die südländische Mentalität ein Wunder. So ging ich zufrieden am Strand spazieren, in der Vorstellung, wenn ich zurückkäme, wäre schon alles getan und mollig warm.
Einige Stunden später kam ich zurück und wusste sofort, es war noch nichts gemacht. Also rief ich bei der Agentur an. Die meinten, der Techniker (!) müsste schon unterwegs sein. So saß ich auf dem Balkon und hielt Ausschau nach ihm.
Die nicht vorgestellte Vorstellung
Kennt ihr diese Momente, wo ihr euch gar nichts vorstellt und dann, wenn die Situation eintritt oder der Mensch vor euch steht, wisst ihr plötzlich, dass ihr es euch doch ganz anders vorgestellt habt? Irgendwie, ohne sich tatsächlich etwas vorzustellen, lebt unerkannt und selbständig die Vorstellung in einem.
So war es auch diesmal. Ganz unvoreingenommen machte ich mir gar keine Vorstellung von dem Techniker, welcher kommen sollte. Und doch, als ich den alten, grauhaarigen Herrn, etwa um die Siebzig aus dem Auto austeigen sah und aufgrund der Werkzeuge, die er schweratmend aus dem Auto herauskramte, merkte ich, dass er so gar nicht in mein Bild von einem gut gebauten, braungebrannten Südländer so um die Vierzig passte. Woher kamen nur diese klischeehaften Erwartungen?
Wenn der Weg das Ziel ist
Ich öffnete dem Opa die Tür und stellte zufrieden fest, dass er meiner laienhaften Diagnose nach, das richtige Werkzeug zur Fehlerbehebung dabei hatte: nämlich einen Eimer (den man brauchte, um das Wasser aus dem Heizkörper laufen zu lassen) um zu entlüften.
Da ich die Sprache des Mannes nicht beherrschte und er anscheinend keine andere als die Seine sprach, zeigte ich ihm, so gut wie möglich, mein Problem. Er nickte mit dem Kopf und machte sich an sein Handwerk. Er packte all seine Utensilien aus, ging zum Heizkessel und begann genau wie ich schon einige Stunden zuvor, an allen Knöpfen herumzudrehen. Dann ging er zu den einzelnen Heizkörpern, drehte an der Wärmeregulierung herum, in sich vertieft wartete er einige Minuten auf das heiße Wasser in den Rohren und irgendwann, als er wieder zu sich kam und feststellte, dass die Heizkörper doch noch kalt waren, ging er wieder zu der Therme und drückte erneut an ihr herum.
Zuerst schaute ich ganz geduldig zu, in der Zuversicht, dass er bald von selbst draufkommen würde, dass es das Sinnvollste sein könnte, die Entlüftung zu versuchen. Nun, nach ca. einer Stunde begann meine Geduld zu bröckeln. Er war doch noch von der alten Schule, oder nicht?
Hätte der Handwerker der alten Schule nicht baldmöglichst auf so etwas Simples kommen sollen? Wie könnte ich es wagen, es besser zu wissen als ein Profi? Bin doch nicht vom Fach. Er ist der Spezialist! Vielleicht kennt er ja dieses System und seine Macken schon zu Genüge!
Also geduldete ich mich ungeduldig weiter.
Hätte ich seine Sprache gesprochen, hätte ich mich bestimmt schon längst mit meinem Vorschlag zu entlüften, eingemischt.
Nach einer weiteren halben Stunde rief er irgendwo an, während er immer noch ratlos vor der Terme stand und wahrscheinlich zu diagnostizieren versuchte. Telefonisch angewiesen drückte er wieder an der Elektronik herum. Ich konnte es nicht fassen! Wie hypnotisiert starrte ich den mitgebrachten blauen Eimer an, der (wie zum Auslachen) unberührt in der Ecke ruhte.
Geduld ist nicht gleich Geduld
Letztendlich gab ich auf. Ich öffnete im Internet den Google-Translator und gab den Satz ein: „Vielleicht sollten Sie die einzelnen Heizkörper entlüften“ und ließ es mir in die Landessprache übersetzen. Ich starrte auf die fremden Worte auf dem Bildschirm und überlegte, ob ich sie aussprechen soll oder ob ich mit dem Computer zu ihm laufen und es sie ihm auf dem Bildschirm zeigen soll.
Meine ganze Geduld war dahin. Ich schaute mir den älteren Herrn und seine Körpersprache genauer an. Er bemühte sich tatsächlich sehr, den Fehler zu finden und zu beheben. Er war so verstrickt in die Vorstellung, dass es an der Elektronik liegen müsste, zu der er offenbar so gar kein Gefühl hatte, dass es ihn komplett zu überfordern schien. Meiner Meinung nach lebte er in der Vorstellung, dass er mit der Elektronik nichts am Hut hatte und deswegen war er irgendwie auch von ihr besessen und übersah die Möglichkeit, die Störung ganz „old school“ zu beheben
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es für diesen alten Herrn ein extremer Gewinn wäre, wenn er von selbst, solle es auch noch weitere drei Tage dauern, den Fehler finden und beheben würde. Ich verstand: Ich hatte keinen Handwerker vor mir, sondern einen bemühten, älteren Menschen, für den es wichtig war eine Aufgabe zu haben und sich in dieser beweisen zu können, um später am Abend mit einem Gefühl gutgetaner Arbeit nach Hause zurückzukehren.
So klappte ich meinen Laptop wieder zu und zog mich erneut auf den Balkon zurück, um in der frischen Luft die Geduld und Zuversicht wiederzufinden. Und da beschlich mich plötzlich eine Ahnung: Irgendwie versuchte der Opa mich oder sich selbst durch sein Agieren, von seiner Unfähigkeit zu überzeugen! Wollte oder war er es sogar gewohnt zu versagen? Diesmal zog er sogar mich, als einen Mitspieler, einen bestätigenden Zeugen, mit in sein trügerisches Selbstbild hinein.
Die andere Kommunikation
Da kam mir eine Idee! Von meinem Balkon aus schaute ich direkt in die tiefgrünen, herrlichen Kronen der landestypischen Pinien. Ich holte tief Luft und atmete ihren ätherischen Duft ein und sagte in meinem Inneren zum Opa:
„Du schafft es! Du findest die Störung! Du kannst das!“
Ich atmete ruhig weiter, lies meinen Blick durch die Gegend gleiten, hörte dem Vogelgesang und dem Rauschen des Meeres zu, während ich die Worte: „Du kannst das!“ ganz leise und ohne Nachdruck in mir wiederholte. Dann ließ ich sie in Gedanken los „Es wird sein, wie es sein wird. Im schlimmsten Fall schlafe ich halt mit dicken Socken und warmer Unterwäsche.“
Nach einiger Zeit wurde mir auf dem Balkon kalt und so drehte ich mich um und ging ins Zimmer. Das erste Bild, was sich mir bot, machte mich sprachlos: Der Opa hockte mit dem Kübel am Heizkörper und ich hörte dieses bekannte Zischen, wenn die Luft und das Wasser gleichzeitig aus dem Heizkörper entweichen :)
Unglaublich!
Müssen wir manchmal den längeren Weg gehen um zufrieden zu sein?
Jetzt stand für mich nur noch die Frage im Raum, ob ich Recht hatte und es tatsächlich an der Luft in den Röhren lag oder nicht. Aber ich hatte Recht! Nach nicht einmal zehn Minuten breitete sich bereits angenehme Wärme im Raum aus. Opa saß zwar noch immer am Boden bei der Heizung und tastete diesmal begeistert die einzelnen Rippen des Radiators durch. Dann klatschte er sich in die Hände, stand auf und packte zufrieden sein Werkzeug ein, ohne mich eines Blickes zu würdigen. In sich gekehrt rief er stolz die Agentur an um zu bestätigen, dass er den Job erfolgreich erledigt hatte.
Wie viel hätte mich wohl in Österreich so ein Handwerkerbesuch gekostet, hätte man mir den Stundesatz verrechnet? Schließlich verbrachte der Opa fast vier Stunden mit der Arbeit, um dann das gefundene Problem in zehn Minuten zu beheben. Aber daran durfte ich nicht denken. Anderes Land, andere Sitten! Hier war dieser Service im Unterkunftspreis inklusive, mit einem zusätzlichen Bonus für mich: eine Bewusstseinslektion. Also alles easy!
Einfacher als einfach
War das wirklich so einfach? Reichte es aus, dass ich in meinem Inneren diesen Mann mit der Überzeugung bekräftigte, dass er es schafft und ihm dadurch den Weg freiräumte, damit er seine „professionelle Intuition“ bzw. die Eingebung hören konnte?
Wäre das nicht das Leichteste der Welt, wenn wir unseren Mitmenschen mit der Einstellung „Du kannst das!“, statt mit Misstrauen und Zweifeln, begegnen würden?
Du kannst das!
Würde es nicht die Welt verändern, würden wir Lehrer, Ärzte, Kinder, Eltern, Partner, Chefs, Politiker mit der inneren Haltung begegnen, dass sie auch etwas können, statt ihnen von der Früh bis am nächsten Morgen, ihr Unkönnen unter die Nase zu reiben und zu unterstellen?
Stellen wir uns vor, was mit jedem von uns selbst geschieht, wenn man uns vor allem nur kritisiert und wie es unser Leben verändern würde, würden uns andere mit der ehrlichen Überzeugung und/oder inneren Haltung „Du kannst das!“ begegnen. Sie müssten es gar nicht aussprechen, wir würden es spüren, intuitiv wahrnehmen, dass sie uns und unserem Können, unseren Fähigkeiten, unserem Dasein vertrauen. Statt uns immer wieder zu beweisen, könnten wir gestärkt endlich mit dem Tun anfangen bzw. mit Leichtigkeit fortfahren, welches uns liegt und uns eigen ist.
Und stellen wir uns noch auch vor, was für ein Gefühl es wäre, was es verändern könnte, würden wir uns aus der tiefe unseres Herzens und aus unserem inneren Wissen in „Ich kann das!“ erkennen/wahrnehmen und bestätigen …
Du kannst das! * Ich kann das! * Wir können das!
… was für eine Welt kann (!) auf der Grundlage des „Könnens“ statt des „Nichtkönnens“ entstehen und sein?
© 06/2017 Kristina Hazler
Onlineshop BewusstseinsWelten.com
Weitere Texte und Bücher von mir finden Sie zu direktem Download in meinem Onlineshop BewusstseinsWelten.com
Zum Thema empfehle ich auch
- BewusstseinsCoaching 1 – Das göttliche Paradoxon
- Die Visionsarbeit und die effektive Nutzung des Unterbewusstseins
- Die Transformation des inneren Boykotteurs zum inneren Berater
- Der energetische Doppelgänger
- Das Streben nach Glück und die zwei Seelen in einer Brust
Newsletter-Anmeldung
[wysija_form id=”7″]